Ambivalenz von Verschlüsselung

Da kryptografische Verfahren auf mathematischen Problemen basieren, die auch kapitalstarke, soziale Akteure nicht ohne weiteres lösen können, sind sie relativ sicher. Dies macht sie zu dem Werkzeug der IT-Sicherheit schlechthin. Kryptosysteme dienen der Wiederherstellung von Informationskontrolle und -sicherheit. Sie schaffen Barrieren, welche Daten und Informationen nicht ohne weiteres übertreten können und sind deshalb ein häufig diskutiertes Mittel zur Erlangung und Erhaltung von Privatheit in einer digitalisierten Gesellschaft.

Darüber hinaus wäre ohne Verschlüsselung ein Großteil der über das Internet abgewickelten Geschäfte wie auch der Kommunikation (auch und gerade im Unternehmensbereich) nicht möglich, da die Gefahr des Missbrauchs, der Verletzung von privaten Geschäftsgeheimnissen und Planungen zu hoch wäre. Kryptografie stärkt die Vertraulichkeit in Interaktion und Kommunikation oder ermöglicht sie erst. So ist der Kryptografie nicht nur aus politischer Perspektive, sondern auch aus persönlicher und wirtschaftlicher Sicht ein hoher Wert beizumessen.

Gleichzeitig muss eingeräumt werden, dass Kryptografie aktiv dazu benutzt wird, Straftaten zu begehen (vgl. z.B. Ransomware) oder zu vertuschen und sich vor legitimer Strafverfolgung zu schützen. Zudem bildet Kryptografie zwar einerseits mitunter die Basis für die digitale Wirtschaft, andererseits steht konsequent eingesetzte Kryptografie jedoch im Widerspruch zu vielen werbebasierten Geschäftsmodellen, da Unternehmen aus den Inhalten der Kommunikation und Interaktion von Menschen Konsumvorlieben ableiten und für ihre Werbenetzwerke verwenden. Auch für die immer bedeutender werdenden Möglichkeiten der digitalen Assistenzen (wie z.B. Siri, Alexa, Google Assistant) ist der Zugang zu den Inhalten wichtig und steht damit im Gegensatz zu Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation.

Die Bedeutung von Metadaten

In der öffentlichen Debatte über die Bedeutung der Kryptographie als Schutzmechanismus gegen Überwachung und Ausspähung ist nur am Rande der Einwand zu vernehmen, dass sich sowohl Unternehmen als auch staatliche Geheimdienste zunehmend gar nicht für die Inhalte der Kommunikation interessieren, sondern auf Basis von Metadaten Rückschlüsse über die Verhaltensweisen der Personen und ihre Netzwerke ziehen. Metadaten beinhalten bei digitaler Kommunikation Informationen z.B. über die Identität der Kommunikationspartner, die Uhrzeit der Kommunikation, den Aufenthaltsort, die verwendeten Endgeräte und anderes mehr. Diese Daten können umfassende Einblicke in das Leben von Menschen geben, ohne den Inhalt der Kommunikation berücksichtigen zu müssen. So versuchte 2014 etwa ein Niederländer anhand der bei seiner eigenen Kommunikation anfallenden Metadaten zu zeigen, welche überraschenden und umfassenden Rückschlüsse sich daraus ziehen lassen. Ex-NSA Chef Michael Hayden betont, dass die NSA auch auf der Basis von reinen Metadaten Menschen umbringt (ohne auf die Inhalte schauen zu müssen) und unterstreicht damit die Bedeutung dieser Daten für Überwachungs- und Profilbildungsanwendungen. Einige Geheimdienstvertreter sind deswegen auch der Meinung, dass eine verschlüsselte Kommunikation ihre Arbeit kaum behindert, da sie über die dennoch anfallenden und auswertbaren Metadaten genug Informationen zur Verfügung haben.

Gerade, weil diese Daten so sensibel sind und auch bei verschlüsselter Kommunikation anfallen, sollte die Bedeutung von Metadaten und die Möglichkeiten ihrer Verschleierung in den Diskussionen um Kryptografie berücksichtigt werden. Auch wenn z.B. die Betreiber von WhatsApp dafür gelobt werden, dass sie nun die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt haben, so ist dennoch zu bedenken, dass die Metadaten weiterhin anfallen und ausgewertet werden.