Über die Privacy-Arena
Privatheit ist in Zeiten von Digitalisierung und Vernetzung umstritten und umkämpft. Nicht nur für Staaten entstehen neue Überwachungsmöglichkeiten, auch für Unternehmen eröffnen sich Geschäftsmodelle, die klassische Vorstellungen von Privatheit in Frage stellen.
Währenddessen kommunizieren Menschen überall in der Welt in kreativer Weise mit digitalen Mitteln und experimentieren mit pluralen und kollektiven Privatheiten. In dieser Situation der Neuorientierung hilft es, von Definitionsversuchen abzusehen und stattdessen in die vielen Kontroversen um die Zukunft der Privatheit einzutauchen. Diesen Ansatz verfolgt das BMBF-Forschungsprojekt „Kartografie und Analyse der Privacy-Arena“. In Zusammenarbeit der Disziplinen Soziologie, Rechtswissenschaft, Ethik und Visuelle Kommunikation wurden politische Kämpfe um die Bedeutung und den ethischen und rechtlichen Stellenwert von Privatheit wissenschaftlich und künstlerisch aufgearbeitet. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sind auf dieser Webseite dauerhaft zugänglich und die Konflikte wurden darüber hinaus in einer Ausstellung erfahrbar gemacht. Dieses Vorgehen folgt Ansätzen der Science and Technology Studies, der Akteur-Netzwerk-Theorie, den Mapping-Verfahren der Situationsanalyse von Adele Clarke und der Theorie sozialer Welten und Arenen von Anselm Strauss.

BMBF-Projekt “Kartographie und Analyse der Privacy-Arena” Januar 2014 bis Dezember 2016
Privatheit ist zu einem unsicheren Begriff geworden. Das BMBF-Projekt “Kartografie und Analyse der Privacy-Arena” untersuchte deshalb die politischen Prozesse, die diesen Wandel von Privatheit vorantreiben, begrenzen und bewerten. Um den umstrittenen Wert der Privatheit entfaltet sich im digitalen Zeitalter eine komplexe Arena, in der vielfältige soziale Welten aufeinandertreffen und ihre Konflikte austragen. In diesen Kontroversen suchte das Forschungsprojekt auch nach den Potentialen gegenwärtiger Demokratie: Es will so den Prozess der kollektiven Neuordnung der digitalen Welt empirisch nachvollziehen. Exemplarisch untersucht wurden dafür öffentliche Auseinandersetzungen rund um Privatheit. Diese Debatten und Streitfälle versammeln auf je unterschiedliche Weisen wichtige Instanzen und Akteurinnen einer Neuverhandlung des Privaten. Die verschiedenen Situationen können als relevante Ausschnitte der Privacy-Arena verstanden werden, in der die Zukunft des Privaten und die Verfasstheit der digitalen Welt koalierend und konfligierend verhandelt werden. Zu den konkret untersuchten Kontroversen gehören die widerstreitenden Interessen hinsichtlich der Einführung einer europäischen Datenschutz-Grundverordnung, die politischen Momente von Technologien wie Kryptografie und Routing, die demokratischen Strategien gegenüber staatlicher Überwachung im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages und die unübersichtlichen Folgen der algorithmischen Realitätserzeugung durch Big Data. Das Projekt will durch diese beispielhaften Erkundungen unterschiedliche demokratische Reaktions- und Artikulationsweisen und die damit einhergehenden Zugriffsweisen auf Privatheit empirisch erfassen und zueinander in Verhältnis setzen.
Kontroversen um Privatheit im digitalen Zeitalter Ausstellung im Interim Kassel 1.12. bis 11.12.2016
Im Dezember 2016 veranstaltete das BMBF - Projekt „Kartographie und Analyse der Privacy - Arena“ eine Ausstellung, welche ein wichtiger Baustein der Veröffentlichungen des Projektverbunds ist. Diese fand vom 01.12.2016 bis zum 11.12.2016 im Interim in Kassel statt. Die interaktiven und multimedialen Installationen der Ausstellung machten die Kämpfe um den Stellenwert von Privatheit erlebbar und sollen dazu beitragen, die Öffentlichkeit an der Diskussion um die Zukunft von Privatheit und Demokratie zu beteiligen. Im Sinne der Public Sociology eröffnete die Ausstellung einem breiten Publikum Zugang zu den Forschungsergebnissen des interdisziplinären Projekts. Eintauchen konnten die Besucher*innen in jene Kontroversen um die Zukunft von Privatheit, mit denen sich das interdisziplinäre Team, bestehend aus dem Fachgebiet Soziologische Theorie, der Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung an der Universität Kassel, dem Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Eberhard Karls Universität Tübingen und einer Gruppe des Studiengangs Visuelle Kommunikation der Kunsthochschule Kassel, im Rahmen des BMBF-Forschungsprojekts Kartografie und Analyse der Privacy-Arena wissenschaftlich und künstlerisch auseinandergesetzt hat.
In der Ausstellung konnten Besucher*innen diese komplexen Arenen, in denen diverse soziale Welten ihre Konflikte aushandeln, begehen. Wer etwa die Kontroversen rund um die Datenschutz-Grundverordnung verstehen will, konnte dem Klingeln diverser Telefone folgen, die von der Decke des Ausstellungsraumes hingen. Die Installationen wollten nicht nur Inhalte der Verordnung, sondern auch die dahinterliegenden demokratischen Prozesse in Zeiten der Digitalisierung visualisieren.
Webseite als Fortsetzung
Die Webseite dient als Fortsetzung dieses Vorhabens, die es Interessierten und Besucher*innen ermöglicht, die Beschäftigung mit den Forschungsergebnissen fortzusetzen und zu vertiefen. Dafür widmet sich die Webseite konkreten Kontroversen, die seit dem Jahr 2013 im Forschungsverbund untersucht wurden. Ziel ist es, eine interessierte Öffentlichkeit an der Diskussion um die Zukunft von Privatheit und Demokratie zu beteiligen, indem komplexe Konfliktlandschaften und deren Wandlungsdynamik durch wissenschaftliche Kartografien aufgeschlossen werden.